Israel, um Himmels willen, Israel by Ralph Giordano

Israel, um Himmels willen, Israel by Ralph Giordano

Autor:Ralph Giordano [Giordano, Ralph]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-462-30939-3
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch Verlag
veröffentlicht: 2015-07-29T16:00:00+00:00


Das Experimentierobst des Yoel Demalach

Revivim im Negev, eine Stunde Autofahrt von Sde Boqer in nordwestlicher Richtung, Israels südlichster Kibbuz, Vorposten des Unabhängigkeitskriegs und berühmte Experimentierstation im Kampf gegen die Wüste.

Dort lerne ich ihren Leiter kennen: Yoel Demalach, der einst Giulio de Angelis hieß. 1924 in Florenz geboren, entschloss sich der Spross einer jüdischen Familie, die ihren Stammbaum auf das Italien des 12. Jahrhunderts zurückführen kann, mit fünfzehn, dem unter Hitlers Einfluss spürbar antisemitischer gewordenen Imperium Benito Mussolinis den Rücken zu kehren und 1939 in Palästina einzuwandern. Zwei Jahre später ging er in den Negev, als Angehöriger einer Gruppe, die dort primär Erfahrungen mit der Wüste sammeln, aber auch eine Heimstatt schaffen sollte angesichts der erwarteten Massenauswanderung von Juden nach der militärischen Niederlage Hitlerdeutschlands. »Wir wussten damals noch nichts vom Holocaust.« Stattdessen rückte den Pionieren erst einmal der Befehlshaber des deutschen Afrikakorps, Generalfeldmarschall Erwin Rommel, bedrohlich auf den Pelz, bald abgelöst von den Ägyptern, die 1948 gegen Beer Scheva anrannten und dabei auf die zu allem entschlossenen Kämpfer von Revivim trafen. Vorher hatte es mit der britischen Mandatsregierung »Probleme« gegeben, wie Yoel Demalach mit mokantem Unterton berichtet. »Na ja, und nach der Staatsgründung und unserem Sieg dann die anderen Kriege. Aber das Wichtigste hier war und ist – unsere Arbeit!«

Da sitzt er vor mir, im siebten Lebensjahrzehnt, aber mit der Miene, dem Habitus und der Gestik eines Jugendlichen, geformt von der permanenten Lebensauseinandersetzung unter extremen politischen und klimatischen Bedingungen, Urgestein wie die Felsbrocken ringsum, unfähig, den italienischen Akzent zu überwinden, und doch Israeli durch und durch.

Aus dem alten wurde der moderne Kibbuz von Revivim, eine Oase im nördlichen Negev mit 700 Bewohnern, darunter auch Überlebende des Holocaust, und aus der provisorischen Versuchsstation die Experimentierfarm mit einer universalen wissenschaftlichen Aufgabe: Das salzige Wasser der Wüste dem Menschen nutzbar zu machen!

Nach nichts anderem hat Revivim zu forschen.

Man hatte in der Region nach Öl gebohrt – und war 1971 in tausend Meter Tiefe auf einen wahren Ozean von Wasser gestoßen. Das stellte sich nicht nur als salin heraus, sondern auch als vierzig Grad Celsius warm – beides problematisch für die Agrikultur. Da es hier aber so gut wie nie regnet, gibt es kein anderes als dieses Wasser. Alle Träume, das brackish water zu destillieren, es in Süßwasser zu verwandeln, verflogen bald. Sinn und Aufgabe der Experimentierstation und ihrer vierzehn Mitarbeiter bestehen demnach darin, das Wasser so zu gebrauchen, wie es ist – mit dem Ziel, dass von den Ergebnissen einmal alle Wüstenländer profitieren.

Als wir Yoel Demalachs klimatisiertes Büro verlassen, um mit ihm aufs Feld hinauszufahren, trifft mich die Hitze wie ein Hammerschlag. Denn inzwischen ist, vom Wetterdienst schon gestern unheilvoll angekündigt, der Chamsin aufgekommen, jener Gluthauch aus der großen Arabischen Wüste und der Sahara, der alles und jedes, über das er hinwegstreicht, wie in ein feuchtheißes Tuch einhüllt, einem bei der ersten Begegnung Entsetzen einflößt und auch nach weiteren Erfahrungen mit ihm keine Gewöhnung zulässt.

Nach längerer Fahrt vorbei an Versuchsfeldern steigen wir aus. Tomaten, Spargel, Avocados, Mais – Yoel lacht: »Mein Experimentierobst!« Hier wird



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